Anmerkungen zur Retortenstadt

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Bündnis Radtour – Wohnen, in der Uniformität

Man kann es nicht oft genug wiederholen, mit dem MD-Gelände wird ein neuer Stadtteil in Dachau entstehen der die „Balance“ der Stadt nachhaltig verändern wird. Wie bei einem Mobile, das zusätzliche Elemente angeheftet bekommt.

Ein schwerer Brocken – die immensen, planungsbedingten Folgelasten

Das Bündnis für Dachau beschäftigt sich intensiv und kritisch mit den möglichen Auswirkungen der MD-Entwicklung auf die „Balance“ der Stadt. Ein schwerer Brocken sind die immensen, planungsbedingten Folgelasten dieses Megaprojekts. Allein dieser Fakt kann für die Stadt eine zerstörerische „Unwucht“ beinhalten.

Dies, zusammen mit dem mehr als 10 Jahre alten „Trojan-Trojan Entwurf“, der im Grunde gänzlich aus der Zeit gefallenen ist, eigentlich ein Grund das Projekt komplett einzustampfen. Nachdem aber die Planungen weiter voran gehen, müssen und werden wir uns weiter damit auseinandersetzen.

Wir wollten einen genaueren Blick auf das Thema „schöne neue (Investoren)Welt“ werfen, und haben eine „Tour de Force“ zu den Immobilien Großprojekten Prinzenpark in Karlsfeld West, dem Diamalt-Park in Allach und dem Stadtteil Freiham gestartet. Insbesondere da das Diamalt-Areal ein Isaria-Projekt auf Basis eines Trojan Entwurfes ist. Quasi eine Blaupause für MD.

Da wir ja immer als Teil des Links-Bündnisses betrachtet werden und uns verschiedene politische Mitbewerber sozialistische Absichten unterstellen, haben wir uns neben den kapitalistischen Investoren-Plattenbauten auch noch spannende genossenschaftliche Wohnprojekte angeschaut.

Start der Tour am MD-Gelände

Tour de Force“ zu den Immobilien Großprojekten

Hier unsere Eindrücke und Fazits.

1. Wieviel Vertrauen kann den Konzernen und Immobilienentwicklern geschenkt werden?
In Karlsfeld West konnten wir bei Bewohnern des Prinzenparks eine große Frustration feststellen. Mehrfach wurde die Enttäuschung geäußert, dass die versprochene Nahversorgung nicht angesiedelt wurde. Ja, mehr noch, es erscheint weder durch die Immobilienbesitzer noch durch die Gemeinde ein Bestreben zu geben, dass hier noch was geschieht. Man muss sich einmal vorstellen, im Ballungsgebiet München, muss ein „Einkaufsbus“ die Nahversorgung für die Bewohner (da ist auch ein Seniorenheim) übernehmen.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Versprechungen sind wenig Wert, solange sie nicht umgesetzt sind. Allzu oft tauchen plötzlich „Alternativlosigkeiten“ auf, die gemachten Zusagen in Schall und Rauch aufgehen lassen. Verhandelte Leistungen brauchen einen „Realitäts-Check“ und ein solides Selbstbewusstsein des Stadtrates und der Verwaltung im Zweifel nicht einzuknicken.

Karlsfeld Prinzenpark | Verkehrliche Anbindung – autozentrisch. Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr – ungenügend.

2. Fehlende Mobilitätskonzepte
Bei keinem der besuchten Quartiere ist ein nachhaltiges und zukunftsweisendes Mobilitätskonzept erkennbar. Die verkehrliche Erschließung scheint wie aus der Zeit gefallen. Die Auto-Zentrik ist offensichtlich. Die Planer der Areale und die der Kommunen haben Fuß- und Radverkehr nicht als ernsthafte Verkehrsmittel gehandelt. Beide haben es nicht vermocht, die Infrastruktur im Quartier und im Umfeld so anzupassen, dass der Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) gestärkt wird.

Das Ergebnis sind Quartiere, die einen starken Kfz-Quellverkehr erzeugen werden, obwohl in unmittelbarer Nähe S-Bahn und Schulen liegen.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Nur Planungen, die konsequent auf Vermeidung von motorisiertem Quellverkehr ausgelegt sind werden von uns mitgetragen. Ein Mobilitätskonzept zugunsten des Umweltverbundes als Alltagsverkehr muss die Grundlage sein, um überhaupt tiefere Diskussionen zum Bebauungsplan zu führen. Alle Verbindungen durch das Gelände hin zu Gastronomie, Handel, Bahnhof und umliegendes Verkehrsnetz etc. müssen für Fuß- und Radverkehr alltagstauglich sein.

Wie soll hier eine Aufenthaltsqualität entstehen?

3. Fehlende Gestaltungsqualität
Wenn sich die Qualität der Gestaltung der Gebäude auf die Stimmung der Bewohner reflektiert, so hoffen wir für die Quartiere das Beste. Denn insbesondere der Diamalt-Park besitzt keinerlei Gestaltungsqualität die positiven Emotionen hervorruft. Uniforme, sand-graue Fassaden und Innenhöfe ohne Aufenthaltsqualität. Eine Quartiersgestaltung ohne jegliches Zentrum für Kommunikation, Interaktion und sozialen Austausch für die Bewohner. Das historische Kesselhaus ist wohl für kommerzielle Nutzung vorgesehen.

Die Projektentwickler schaffen keine identitätsstiftende Wirkung innerhalb des Geländes. In der Werbung z.B. okkupieren sie dreist die vermeintliche Attraktivität des bestehenden Ortszentrums. Sie können aber keinen Beleg dazu liefern, dass das Areal einen eigenen Beitrag für eine Aufwertung des Orts leistet.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Sollten die Befürworter der MD-Planung, wie die CSU-Fraktion, solch eine „Investoren-Ästhetik“ und Uniformität gut finden, so müssen bei allen anderen die Alarmglocken schrillen. Wir jedenfalls wollen keine „Upper-Class Plattenbauten“ bei uns. Die Gesamtgestaltung und insbesondere der öffentliche Raum müssen eine identitätsstiftende Wirkung erfüllen. Wir fordern funktionale, soziale, räumliche und bauliche Vielfalt die der ganzen Stadt zu Gute kommt. Ob das so gepriesene Mühlen-Forum dies leistet wird sich zeigen müssen.

4. Fehlender bezahlbarer Wohnraum
Das Durchschnittseinkommen in München liegt brutto bei ca. 32.000, – Euro/Jahr pro Einwohner (Statistisches Bundesamt). Lt. Studie focus.de benötigt ein Single etwa brutto 54.000, – Euro/Jahr, um in München leben zu können. Die Stadt München geht davon aus, dass trotz Steigerung der Bruttolöhne 50 bis 60 Prozent! der Münchner Haushalte in die Zielgruppen für geförderten Wohnraum fallen. Im Diamalt-Park kostet lt. Inserat eine 75 qm Wohnung 780.000, – Euro. Eine 58 qm Wohnung wird für 1.340, – Warmmiete/Monat angeboten.

Warum immer noch renditeorientierte Immobilienkonzerne als Wohltäter durchgehen, ist erstaunlich.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Im renditeorientierten Wohnungsmarkt werden schon lange keine bezahlbaren Wohnungen für Durchschnittsverdiener mehr erzeugt. Es ist eine Illusion zu glauben, es würde auf dem MD-Gelände passieren. Die Zielgruppe für die Immobilienkonzerne ist definitiv nicht der Durchschnittsverdiener. Das Angebot, auch als Träger von geförderten Wohnungsbau aufzutreten hat einen Pferdefuß. Nach Ablauf der Bindung, können diese Wohnungen auch zu Eigentumswohnungen verwandelt und veräußert werden. Dieses Ansinnen lehnen wir ab, da Wohnraum dauerhaft dem Spekulationsmarkt entzogen werden muss und dies so nicht passiert.

Einzig durch die Umlagen der Sozial Gerechten Bodennutzung, der Dachauer Grundsätze zur Baulandentwicklung, können Flächen für geförderten Wohnungsbau und gemeinschaftliche Wohnprojekte generiert werden. Damit sind Modelle wie Genossenschaften, Mietshäusersyndikate und Mietgemeinschaften gemeint. Diese, nicht renditeorientiert entstehenden Wohnungen sind dauerhaft dem Spekulationsmarkt entzogen.

Wir wollen Innovationen für Dachau. Darum wären Förderkriterien wie sie die Stadt München aufstellt auch für das MD-Gelände angebracht um eine Win-win Situation mit der Stadt herzustellen:
> Zuschlag bekommen gemeinschaftliche Wohnkonzepte, mit breiter sozialer Mischung
> Voraussetzung sind architektonische Qualität und ökologisch, nachhaltige Gebäude
> Kooperative und integrative Wohnprojekte als Impulsgeber für Nachbarschaft und Quartier würden bevorzugt
> Günstige Mieten bis maximal 13,50 Euro/m2 sollten maßgeblich sein

Genossenschaftswohnanlage Ackermann-Bogen

5. Mangelnde natürliche Freiräume und Ökologie
In den besuchten Quartieren sind Natur und naturbelassene Flächen Mangelware. Auch konnten wir nirgends offensichtliche Maßnahmen die das Thema Klimaschutz aufnehmen oder gar auf den Klimawandel abgestimmt sind erkennen. Einzig in Freiham findet sich ein naturbelassener Streifen am Rand.
Es ist für uns zwingend, ein Neubauquartier zu entwickeln, das die Themen Klimawandel und Stadtökologie stark berücksichtigt.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Ein zukunftsfähiges Quartier muss Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Klimawandel beinhalten. Der Trojan-Trojan Entwurf ist aus den genannten Gründen aus der Zeit gefallen. Fassadenbegrünung, Dachgärten und Photovoltaik, Regenwassermanagement, das Starkregen puffert und Trockenzeiten überbrückt. Nutzgärten und „Wilde Ecken“ für die Stadtökologie sind hier genannt.

Grünzug am Rande von Freiham

6. Fehlende Nutzungskonzepte für Gewerbe und „Mixed Use“
Bislang fehlt eine schlüssiges und für die Stadt Dachau vorteilhaftes Gewerbekonzept. Gerade die durch Corona beschleunigte Transformation in der Arbeitswelt wird in dem bisherigen Konzept für uns nicht abgebildet. Die Wohnungen werden aufgrund der immensen Miethöhen im Ballungsraum eher kleine Zuschnitte aufweisen. Sind also für Home-Office schlecht vorbereitet.

Unser Fazit für das MD-Gelände: Es ist aus unserer Sicht erforderlich, dass das Entwicklungskonzept der Gewerbeflächen eng mit der Wirtschaftsförderung abgestimmt wird. Angesichts des Trends zum „Home-Office“, sollen gemeinschaftlich nutzbare Flächen und Coworking Spaces eingerichtet werden. Zumal davon auszugehen ist, dass die Wohnungen Zuschnitte ohne explizite Arbeitsbereiche haben werden.

Hier noch ein Grundsätzlicher Gedanke zum Thema.

„Benötigt wird eine zukunftsorientierte Bodenbestandspolitik, die planungsbezogene Wertsteigerungen vergesellschaftet und bezahlbares Bauland für zielgruppenorientierten Wohnungsbau bereitstellt.“ Stefan Kofner, Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Hochschule Zittau/Görlitz

Bündnis on Tour

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