Dachau verliert die „dritten Orte“ und somit an Identität

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Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft mit den „Dritten Orten“, gemeint sind damit niederschwellige Begegnungsorte. Zweck dieser Orte ist es also, soziale Beziehungen aufzubauen, seine Freizeit zu genießen, sich auszutauschen und mit seiner direkten Nachbarschaft in Kontakt zu treten.

Dazu zählen Cafés, Bars und Kneipen sowie Räume für Dienstleistungen wie beispielsweise Buchläden, Friseure oder Waschsalons. Auch Büchereien zählen zu dritten Orten, da sie ohne an materiellen Konsum gebunden zu sein Raum für Vorträge, Diskussionen und informellen Treffen bieten. Alle diese Orte fördern das gemeinschaftliche Leben sowie einen sozialen und kulturellen Austausch. Fehlen diese Orte, so sind Menschen unzufriedener und gestresster.

Das Bündnis für Dachau setzt sich seit langem für den Erhalt aber auch die Neuerrichtung solcher Orte ein.
Ein Beispiel dafür ist der Bürgerbiergarten am Wasserturm. Was aber diese Einrichtung nicht erfüllen kann ist ein Angebot außerhalb der Saison. Auch ein zusätzlicher Pop-Up Biergarten am Schrannenplatz oder vor dem verwaisten Zieglerbräu, wie die CSU ergänzend vorgeschlagen hat, ist wichtig und sinnvoll, aber mit dem selben Defizit belastet.

Das Angebot des Sparvereins das ehemalige Café Gramsci auf eigene Kosten in der Übergangszeit bis zum einem eventuellen Schulerweiterung wieder bespielbar zu machen, wurde von SPD und CSU ausgeschlagen. Die beschlossenen Gespräche mit dem Sparverein sind unter dem derzeit gegebenen Zeitplan nur ein billiges Feigenblatt.

Wir fragen uns wenn Verwaltung und Stadtrat diese Räume zusperren und für unbenutzbar erklären, wäre es dann nicht auch ihre Aufgabe wieder für Ersatz zu sorgen – wenigstens temporär? Kann es sein, dass ausschließlich dem Bündnis für Dachau diese Funktion für unsere Stadtgesellschaft wichtig ist?

Das was sich über Jahrzehnte langsam aber positiv entwickelt hat, auch während der Amtszeit des OB Bürgel, wird geopfert und in der entsprechenden Sitzungen fällt sogar der Begriff „Schandfleck“. Dem Ex-OB Bürgel und dem Ex-Landrat Christmann wären solche Worte wohl nie über die Lippen gekommen, waren sie doch gerne Gäste im Alten Metzgerhof. Schande ist ein hartes Wort, das wir nicht leichtfertig in den Mund nehmen. Aber eine Frage kann man schon stellen: sind wir tatsächlich eine Künstlerstadt oder schon längst auf dem Weg zu einer Sportstadt? Es geht nicht darum, den Sportvereinen etwas zu nehmen – es geht darum darauf hinzuweisen die Kultur nicht zu vernachlässigen.

Dritte Orte waren z.B.

  • die Neue Galerie und die KVD-Galerie (aus zwei wird eins)
  • die Kulturschranne
  • das Café Gramsci
  • Gaststätte und Biergarten Zieglerkeller

Dritte Orte könnten werden

  • die Neue Galerie, wenn die KVD-Galerie in die Kulturschranne zurückkehrt
  • das ehemalige Café Gramsci, der Alte Metzgerhof
  • Teilflächen des Erdgeschosses des Bezirksmuseums
  • Flächen im historischen Bahnhofsgebäude
  • Flächen im Postgebäude
  • Kellergewölbe im Zieglerbräu

Ein Kommentar

  1. Cafe Gramsci ade!
    Demographische Entwicklung, Alterspyramide, drohende Vereinsamung, Fachkräftemangel,
    antidemokratische Tendenzen, diffamierende Hasskommentare in sozialen Medien und und und
    Aktuelle Themen und Themen der nahen Zukunft stellen, neben all den anderen Herausforderungen, die Kommunen und die Gesellschaft zusätzlich vor große Aufgaben.
    Was hat dies mit dem Cafe Gramsci zu tun?
    Das Cafe war ein Ort, zentral gelegen, wo sich gruppenübergreifend Menschen ( jung,alt, aus unterschiedlichen Lebens-Berufswelten) treffen konnten.
    Ein Treffpunkt, der uns einlud über den eigenen Tellerrand zu blicken, andere Menschen kennenzulernen, an ihrem Leben Anteil zu nehmen, ihre Meinungen zu hören und in Diskurs zu gehen.
    Es war ein Ort an dem wir üben konnten eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln.
    Die sich abbildende Vielfalt war einzigartig.
    Wer das Gramsci besucht hat weiß, wie hier debattiert, nachgedacht, Lösungen erwägt und auch Dinge in die Tat umgesetzt wurden. Auch das „Servus, wia gehtś“. All dies schaffte ein Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit, ja sogar Identifikation mit dem Wohnort und nachbarschaftliches Denken.
    Und das Beste daran, es machte einfach Freude.
    Wenn unsere Gesellschaft in Zukunft mehr Aufgaben aus sich heraus lösen und übernehmen muss, solidarisch wirken muss, dann ist auch der wirtschaftliche Wert solcher Begegnungsorte zu schätzen.
    Eine Solidarische Gesellschaft lebt von Begegnung, facettenreich und flexibel.
    Ich hoffe, dass wir dies mehr und mehr erkennen. Diese Räume sind Anker für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
    Schade.
    R. Jatzeck

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