Populismus und Rechtsdrall erreicht die konservative Mitte.
Es ist zu spät für „wehret den Anfängen.“
Im Gastbeitrag (in der Süddeutschen Zeitung) sagt Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin, Publizistin und Referentin beim Bündnis Themenabend „Rückt die Mitte nach Rechts – Radikalisierter Konservatismus“:
Drei Regeln zum Umgang mit rechten Parteien:
- Keine Themen der Rechten übernehmen
- Keine Positionen der Rechten Parteien normalisieren
- Den Anspruch der Rechten auf Alleinvertretung der Unzufriedenen streitig machen.
Eine weitere Binsenweisheit:
Rechtspopulisten und der extremen Rechten geht es nie um realistische Lösungen.
Ihre Masche ist die Emotionalisierung von gesellschaftlichen Themen. Durch die emotionale Aufladung werden komplizierte Themen immer weniger lösbar und Kompromisse oft unmöglich.
Eigentlich müssten wir gewarnt sein. In vielen Ländern ist das alles zu beobachten und hat in Deutschland längst eingesetzt. Darum ist zu spät zu „wehret den Anfängen.“ Es ist höchste Zeit für „wehret der Ausbreitung“ und „stoppt die Normalisierung“.
Die Grundregeln gegen Rechts werden bislang weitgehend ignoriert
Aktuell müssen wir feststellen, dass das Rezept von Rechtspopulisten und rechtsextremer Parteien funktioniert. Insbesondere konservative Parteien nehmen die getriggerten Themen auf und multiplizieren sie.
Die Diskursverschiebung ist in Gange. Rechte Themen verlieren ihr Tabu und drohen zu einer „Meinung“ unter vielen zu werden. Moderiert und begleiten von vielen selbsternannten oder professionellen „Verstehern“, die permanent was von „Abgehängten, Frustrierten und Nicht-Mitgenommenen“ dozieren.
Anstatt den Normalisierungsprozess zu stoppen, wird er so noch befeuert. Beispielhaft bei der Genderdebatte und Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen.
Wir haben hier im Blog schon einmal gefragt „Ab wann verlässt man die politische Mitte?“
Es ist Brandgefährlich: Der Normalisierungsprozess ist im Gange.
Rechte Themen verlieren ihr Tabu und drohen zu einer „Meinung“ unter vielen zu werden.
Der Stachel des Zweifels an der Demokratie setzt sich fest und pumpt sein Gift in die Gesellschaft.
Darum ist es so gefährlich, was ein Merz zum Umgang und mögliche Zusammenarbeit mit der AfD gesagt hat. Normalisierung geschieht durch Einbindung in Diskursen und Gleichsetzung mit Parteien die die demokratischen Spielregeln einhalten.
Wenn der Konsens des „nicht Tolerieren“ und der „nicht Zusammenarbeit“ fällt, dann beginnt die Normalisierung. Dann ist Rechtsextremismus eine Meinung und keine gefährliche Ideologie mehr. Dann werden Antidemokraten als „Partner“ akzeptiert. Dann hat sich der Zweifel an der Demokratie als Stachel im Organismus der Gesellschaft festgesetzt und pumpt sein Gift hinein.
Der dümmstmögliche Ansatz, besonders von den Parteien der „Mitte“ ist es, eine Zusammenarbeit auf Sachebene mit Rechten zu akzeptieren. Aus (wahlweise) Ignoranz, politischer Naivität oder im schlimmsten Fall dem Glauben, die Rechtsextremen einhegen zu können, mag der Impuls entstehen. Doch damit ist einer Tolerierung Tür und Tor geöffnet, man wird politischer Handlanger und die Brandmauer ist eingebrochen.
Die Beispiele zeigen: Minderheitenrechte werden als erstes geschleift
Die Rechten machen ja gar keinen Hehl daraus. Um den dauerhaften Machterhalt zu sichern, wird konsequent am Umbau zu einer illiberalem dysfunktionalen Demokratie gearbeitet. Minderheitenrechte, Gleichberechtigung von Frauen, feministische und quere Themen allgemein stellt die Angriffsfront für die Rechten gegen eine pluralistische Gesellschaft dar. Denn eine gesellschaftliche Gleichberechtigung der Gruppen akzeptieren sie nicht und wollen sie auch gar nicht. Es ist gegen die vermeintliche Natur der rechten und konservativen Weltanschauung. Man sieht es ja in den vielen illiberalen Demokratien um uns, wie als erstes Minderheitenrechte geschleift, die Zivilgesellschaft gegeneinander aufgehetzt wird.
Es ist z.B. nicht überraschend, dass die Post-Faschistin Meloni in Italien im Handstreich für viele Familien die Sozialleistungen komplett gestrichen hat. Im Geiste der Rechten sind Sozialhilfeempfänger*Innen
schwache Privilegienempfänger die im Grunde verachtet werden.
Und der Faschismus glotzt aus dem Nebel der Geschichte und lacht.
Siehe auch im Blog: Demokratie unter Rechts >Druck
Erkenntnis der Gefahr von Rechts bei Konservativen – Fehlanzeige
Doch wir beobachten als besorgte Bürger*Innen, dass nicht nur extrem rechte Parteien und Politiker bewusst eine Rolle der Provokation spielen, um gegen „das System“ oder „die da oben“ zu agitieren.
Leider tölpeln auch bayerische Politiker der konservativen, bürgerlichen Mitte auf die Bühne, um in der Rolle des Populisten einen starken „Die-Demokratie-zurückholen-Max“ zu geben. Dabei ist es ihnen erschreckend Wurscht, wer ihnen zujubelt. Man kann sich fragen, ist am Ende sogar Absicht, die dahinter steckt? Oder einfach nur naive Dummheit? Wir fragen für die besorgten Bürger*Innen.
Um ein anderes Bild zu gebrauchen, verkörpern all die Hubsis, Merzens, Lindemänner und Dodrindts nicht die Rolle der „Fußballeltern“ am Spielfeldrand, die aggressiv gegen die Schiedsrichter oder gegnerische Spieler hetzen?
Es muss den Protagonisten doch bewusst sein, dass mit ihrer Aggressivität im Extremfall das ganze Spiel in Frage gestellt wird.
Der dümmstmögliche Ansatz: zu glauben, rechte Gruppen „einhegen“ zu können
Dass die Rechten und Rechtsextremen die Unzufriedenen für sich einsammeln, davor wurde zwar von vielen Politikern und Experten gewarnt. Von den Parteien der Mitte wurde die Gefahr möglicherweise aus Gründen der Hilflosigkeit oder als nicht systemrelevant marginalisiert und abgetan.
Die Rechten und Rechtsextremen reklamieren für sich den Alleinvertretungsanspruch der Unzufriedenen – Der Leimtopf für die Wutbürger.
Die Konservativen reklamieren für sich den Alleinvertretungsanspruch der Mitte – Als Grundrecht für Dauerregierung.
Die Rechten und Rechtsextremen reklamieren für sich den Alleinvertretungsanspruch der Unzufriedenen und „Wutbürger“. Das unbestimmte „Dagegensein“ wird eingesammelt, emotionalisiert und in völkische, rassistische und Minderheiten bezogene menschenfeindlichen Kontext gebracht. Dazu sammeln sie durch Verbreiten von Verschwörungsideologien noch einen Rest von ausdrücklich nicht Rechten Gruppen ein. Dass konservative Parteien ernsthaft glauben hier punkten zu können ist komplett weltfremd. Denn der Ansatz der Rechten ist destruktiv. Was konservative Parteien nicht unterstützen. Die Extremwähler wählen nicht die Kopie sondern das Original.
Die konservative Opposition hat eine Identitätskrise und kein Rezept gegen Rechts
Es ist offensichtlich. Durch die verlorene Wahl haben die Unionsparteien ihren sich selbst definierten Führungsanspruch verloren, haben ihre Rolle in der Opposition nie akzeptiert.
Es sieht aktuell auch nicht so aus, als ob die Union unter Merz und Söder das konservative Profil in zukunftsfähige Themen umzumünzen. Bisher versteifen sie sich auf komplett Verweigerung.
Und nun haben Merz, Dobrindt, Aiwanger und in Teilen auch Söder, bewusst oder unbewusst, am süßen Gift des Rechtspopulismus geleckt. Sie arbeiten sich an Feindbildern ab und skandalisierten Nebenaspekte der Politik. Als ob am Gendersternchen das Wohl der Welt hängt.
Langsam wird sichtbar, was das Gift des Populismus anrichten kann. Die Gesellschaft radikalisiert und polarisiert sich. Die Nebeneffekte des Gifts greifen den ganzen Körper an. Erst den Geist der Partei, um dann auf den Körper der Gesellschaft überzuspringen.
Es wird eine Herkulesarbeit, den Vertretungsanspruch der Unzufriedenen, den die Rechten für sich reklamieren, zu brechen. Anstatt gegen den Trend der Radikalisierung anzukämpfen, wird die Schuld dafür nun den progressiven Parteien in die Schuhe geschoben. Die Wichtigkeit des Abwehrkampfes haben die konservativen und bürgerlichen Parteien noch nicht im Ansatz verstanden.
Es ist zu spät zu „wehret den Anfängen.“ Es muss gelten: „wehret der Ausbreitung.“
Liebe bürgerlich-konservative Politiker. Ihr braucht die Rechten nicht nachzuäffen.
Die Rechtsextremen können das Spiel besser.
Nochmal zur Erinnerung wie der „Plot“ Rechtsverschiebung funktioniert: Es wird die Verschwörungserzählung eines inneren Feinds präsentiert, der zusammen mit mächtigen äußeren Verbündeten die angeblich intakte Gemeinschaft (die „Nation“, das „Volk“) angreift und Schaden anrichtet. Wichtig bei der Story, der Feind ist unspezifisch. Die Eliten, die Politik, die EU, die Ausländer, der Islam, Quere Menschen, Juden etc.
Ihr solltet gewarnt sein. Das ist der klassische völkische Nationalismus, der mit den Techniken des Rechtspopulismus den Boden bereitet für eine illiberale und dysfunktionale Demokratie, die den Rechten dauerhaft die politische Macht ermöglicht. Um nichts weniger geht es. As simpel it is. Orban hat das Drehbuch schon umgesetzt. Andere tun es ihm gleich.

»Es ist zu spät zu „wehret den Anfängen.“ Es muss gelten: „wehret der Ausbreitung.“«
– gleiches kann man zur aktuellen Situation sagen beim Konflikt im vorderen Orient. Sind wir mit unserem plakativen „nie wieder“ wirklich an Israels Seite oder verstecken wir uns hinter dem sog. „Whataboutism“, der die Terroranschläge der Hamas als Antwort auf die Repressalien der israelischen Politik gegenüber dem palästinensischen Volk (Ausbreitung der radikalen Siedler, Grenzkontrollen etc.pp) rechtfertigt?
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