Rechtsrutsch

Rechtsrutsch – die Normalisierung rechter Themen

„Niemand […] kann sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die […] zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen.“
(Bundespräsident F. W. Steinmeier)

In vielen Ländern Europas hat seit Jahren ein Rechtsrutsch eingesetzt. Auch in Deutschland hat sich die politische Landschaft verändert. Rechte Parteien und Meinungen gewinnen an Einfluss. Rechte Meinungsmache ist längst im Mainstream angekommen.

Die Rechten beanspruchen für sich den Alleinvertretungsanspruch der Unzufriedenen und „Abgehängten“. Radikalisierte konservative Politiker markieren demokratische Mitbewerber als Feindbilder. Damit gehen ihnen die „Wutbürger“ auf den Leim.

Noch einmal zur Erinnerung, wie die Rechtsverschiebung funktioniert. Es wird die Verschwörungsgeschichte eines angeblichen inneren Feinds präsentiert, der oft zusammen mit mächtigen äußeren Verbündeten die intakte Volksgemeinschaft angreift und Schaden anrichtet. Wichtiges Detail: der Feind ist unspezifisch. Wahlweise sind es die Eliten, „die Juden“, „die Politik“, „die EU“, „die Ausländer“, „der Islam“, „die queeren Menschen“, etc.

Ein wichtiges Element ist eine zunehmende moralische Enthemmung. In Wörtern und auch in Taten. Das, was bisher unsagbar gewesen ist, wird nun öffentlich breitgetreten. Menschenverachtung gegen Gruppen und Minderheiten wird sagbar.

Gerade in Deutschland sollten wir gewarnt sein. Das ist nämlich der klassische völkische Nationalismus, der mit den Methoden des Rechtspopulismus den Boden bereitet für eine Schein-Demokratie, die den Rechten dauerhaft die politische Macht ermöglichen soll. Ungarn und Polen sind diesen Weg schon zu mehr oder weniger großen Teilen gegangen. Nun sind rechte Kräfte auch in Finnland, Schweden, Italien am Ruder…

Die konservative Opposition im Bund hat eine Identitätskrise und kein Rezept gegen rechten Populismus. Denn durch die vergangene (verlorene) Bundestagswahl haben sie ihren bisherigen Führungsanspruch verloren und können ihre Rolle in der Opposition immer noch nicht akzeptieren.

Rechtsextreme, aber auch zunehmend radikale Konservative, machen keinen Hehl daraus, dass sie Minderheitenrechte, Gleichberechtigung von Frauen, queere Lebensformen und Zuwanderung als Bedrohung für die „Deutsche Nation“ betrachten. Doch nun ist zu sehen, dass auch Parteien und Politiker der konservativen Mitte bewusst eine Rolle der Provokation spielen. Plötzlich gewinnt manipulative Politik die Oberhand. Sie behauptet mit rechten Parolen, antidemokratischer und moralisch verkommener Polemik für eine vermeintlich „vernünftige, schweigende Mehrheit“ zu sprechen. Auch bayerische Regierungsmitglieder tölpeln auf die Bühnen, um einen vermeintlich starken „Die-Demokratie-zurückholen-Max“ zu geben. Und es ist ihnen erschreckend egal, wer ihnen zujubelt. Dabei muss Politik weitsichtig und meinungsbildend sein. Sie darf sich nicht nur als Reaktion auf die „Volksmeinung“ zeigen. Uns allen muss klar sein: Eine geschwächte Demokratie dient nur dazu die politische Agenda der Extremisten durchzusetzen.

Einer der fatalsten Ansätze von Konservativen ist es, auf Sachebene eine Zusammenarbeit mit Rechten zu akzeptieren. Dieser Impuls mag entstehen aus Ignoranz, politischer Naivität oder im schlimmsten Fall dem Glauben, die Rechtsextremen einhegen zu können. Doch damit ist ihrer Tolerierung Tür und Tor geöffnet, die angebliche „Brandmauer“ ist eingebrochen.

Nun ist es bereits zu spät, um zu sagen „Wehret den Anfängen!“. Längst sind zu viele Tabus gebrochen worden. Der Rechtsrutsch ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte sind aufgefordert, der Ausbreitung undemokratischer Kräfte Einhalt zu gebieten.

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