Kultur entsteht nicht zufällig. Sie braucht Orte, an denen Menschen zusammenkommen, ausprobieren, scheitern und wieder anfangen dürfen. Und sie braucht Zeit – Zeit zum Wachsen, zum Entwickeln, zum Verankern.
Die Geschichte kultureller Räume in Dachau zeigt beides sehr deutlich: was möglich wird, wenn Räume da sind – und was verloren geht, wenn sie fehlen.
Die Kulturschranne – ein Raum, der möglich wurde

Die Kulturschranne in der Dachauer Altstadt ist aus einem Vorschlag des Bündnis für Dachau entstanden – zu einem Zeitpunkt, als das ursprüngliche Konzept einer Markthalle bereits mehrfach gescheitert war. Der Raum war vorhanden, aber festgefahren in einer Idee, die nicht funktionierte.
Auf unseren Antrag hin wurde ein neuer, pragmatischer Weg eingeschlagen. Mit überschaubarem Aufwand entstand im Obergeschoss des ehemaligen Restaurantbereichs zunächst versuchsweise eine Kleinkunstbühne. Parallel dazu wurde im Erdgeschoss die Galerie der KVD eingerichtet, die ihre bisherigen Räume in der Brunngartenstraße aufgeben musste.

Was als Übergangslösung begann, entwickelte schnell eine eigene Dynamik. Vereine veranstalteten Konzerte, es fanden Theateraufführungen statt, neue Formate entstanden. Die Kleinkunstbühne wurde angenommen, weil sie offen war und weil man ihr Zeit ließ. Gleichzeitig organisierte die KVD im Erdgeschoss eine Vielzahl von Ausstellungen und schuf einen festen Ort für bildende Kunst in der Altstadt.
Die Kulturschranne zeigte eindrucksvoll, dass Kultur nicht immer große Investitionen braucht. Oft reicht es, vorhandene Räume neu zu denken, ihnen Zeit zu geben – und den Menschen zu vertrauen, die sie mit Leben füllen.
Wenn ein Raum fehlt – und mehr verloren geht als Termine

Seit fast einem Jahr ist die Kulturschranne wegen einer notwendigen Brandschutzsanierung geschlossen. Wie lange diese noch dauern wird, ist derzeit nicht absehbar. Klar ist aber: Eine mehrjährige Pause bleibt nicht folgenlos.
Wo Räume über längere Zeit fehlen, gehen Kontakte verloren, Netzwerke zerfallen, Routinen brechen ab. Eine spätere Wiederbelebung wird umso schwieriger – insbesondere dann, wenn Organisation und Programm fast vollständig ehrenamtlich getragen werden. Kultur lebt von Kontinuität. Provisorien können überbrücken, sie können aber keine verlässliche Infrastruktur ersetzen.
Ein kleiner Teil des Programms konnte in dieser Zeit aufgefangen werden. Im Hof des Simperl-regional und unverpackt-Ladens fanden einzelne Konzerte statt, auch das Sommerkino fand hier eine neue, wenn auch begrenzte Heimat. Ein weiterer wichtiger Ausweichort entstand in Dachau-Ost im Musikheim der Knabenkapelle. Der Verein öffnete sich bewusst für andere Veranstalter, die Bühne wurde vergrößert, die technische Ausstattung kontinuierlich weiterentwickelt.
Diese Beispiele zeigen: Engagement ist da. Aber es braucht Räume, die dauerhaft verfügbar sind – nicht nur als Notlösung.
Das Café Gramsci – ein Ort der Begegnung

Das Café Gramsci begann als „Sonderbar“ auf Initiative der Brücke e. V.. Über die Jahre entwickelte es sich zu einem kulturellen Kleinod. Es fanden Konzerte statt, Open-Air-Kinos, Gespräche und Begegnungen. Vor allem aber war das Café Gramsci ein überparteilicher Treffpunkt, offen über Alters- und Parteigrenzen hinweg.
Kurzfristig untersagte die Stadt den Weiterbetrieb wegen gravierender baulicher Mängel. Der Schritt war notwendig – die Folgen sind bis heute spürbar. Seitdem steht das Gebäude leer. Ein Ort, der gewachsen war und Stadtleben bereichert hatte, verschwand nicht wegen fehlender Nachfrage, sondern wegen fehlender räumlicher Perspektive.

Diese Geschichte zeigt, wie fragil kulturelle Orte sein können. Sie entstehen durch Engagement und Zeit – und verschwinden schnell, wenn die räumliche Grundlage wegbricht.
Bildende Kunst – Räume für Kontinuität und Sichtbarkeit

Bildende Kunst braucht andere Räume als Musik oder Theater. Sie braucht keine Bühne, sondern Fläche. Keine Termine, sondern Zeit. Und vor allem Orte, an denen Arbeiten sichtbar bleiben dürfen und sich entwickeln können.
Die Galerie der KVD in der Kulturschranne hat genau das ermöglicht. Sie bot Künstlerinnen und Künstlern einen verlässlichen Ausstellungsraum in zentraler Lage – und damit Sichtbarkeit, Austausch und Kontinuität. Über Jahre hinweg wurden hier zahlreiche Ausstellungen realisiert und bildende Kunst fest im Stadtbild verankert.

Mit der Schließung der Kulturschranne ist auch dieser Raum weggefallen. Damit fehlt nicht nur eine Ausstellungsfläche, sondern ein Ort, an dem künstlerische Arbeit dauerhaft präsent sein konnte. Für viele Kunstschaffende ist das besonders einschneidend, denn Alternativen lassen sich nicht einfach improvisieren oder kurzfristig ersetzen.

Auch hier zeigt sich: Bildende Kunst braucht Räume, die langfristig zur Verfügung stehen. Ateliers, Ausstellungsflächen und Orte des Austauschs sind keine Luxusprojekte, sondern Grundlage dafür, dass Kunst sichtbar bleibt und Teil des öffentlichen Lebens ist.
Wer Kultur ganzheitlich denkt, muss deshalb nicht nur an Veranstaltungen denken, sondern auch an die stilleren Formen kultureller Arbeit. Bildende Kunst prägt das Stadtbild – oft leise, aber nachhaltig.
Festivals – viel Engagement, zu wenig Luft zum Atmen

Dachau hatte über viele Jahre eine starke Tradition ehrenamtlich organisierter Festivals. Sie begann an der Schinderkrippe mit dem Kult, wurde mit dem Festival Amperitiv fortgeführt und später durch die Wiederbelebung des Kult ergänzt.
Diese Festivals lebten vom enormen Einsatz vieler Ehrenamtlicher. Gleichzeitig nahmen die Auflagen von Jahr zu Jahr zu, Genehmigungsverfahren wurden komplexer, der organisatorische Aufwand wuchs stetig. Was als Ehrenamt begonnen hatte, wurde für viele zu einer Vollzeitaufgabe vor und nach dem Festival.

Am Ende war diese Belastung nicht mehr zu stemmen. Nicht, weil die Ideen erschöpft waren oder das Interesse fehlte – sondern weil die Rahmenbedingungen nicht mehr passten. Bis heute gibt es keine Nachfolger für diese Festivals.
Neue Initiativen – Engagement übernimmt Verantwortung
Trotzdem ist Kultur in Dachau nicht verschwunden.
Gemeinsam mit dem Sparverein haben sich Ehrenamtliche gefunden, die das Café Gramsci wiederbeleben wollen – ohne jeglichen Zuschuss der Stadt. Getragen von Idealismus, Erfahrung und dem Wunsch, einen Ort der Begegnung zurück in die Stadt zu holen.

Parallel dazu entsteht im Gebäude des ehemaligen Amperboten der Musik-Bote – mit einer Musikschule und einer Kleinkunstbühne. Ein Haus, das Lernen, Proben und Auftreten verbindet und zeigt, wie kulturelle Infrastruktur auch niedrigschwellig funktionieren kann.
Diese Initiativen verdienen großen Respekt. Sie zeigen aber auch: Kultur darf nicht dauerhaft auf der Grenze zur Selbstausbeutung organisiert sein. Engagement braucht Unterstützung, Zeit und verlässliche Rahmenbedingungen.
Probenräume – Kultur entsteht, bevor sie sichtbar wird
Kulturelles Leben beginnt lange vor der Bühne. In Probenräumen, in denen gearbeitet, ausprobiert und gemeinsam entwickelt wird. Genau hier besteht in Dachau seit Jahren ein struktureller Engpass.
Das Thoma-Haus ist nahezu ganzjährig ausgebucht und steht in den Sommerferien nicht zur Verfügung. Das Bündnis setzte sich deshalb früh für Bandübungsräume ein. Für einige Jahre konnten diese im alten Verwaltungsgebäude auf dem MD-Gelände eingerichtet werden. Später entstanden im Kellergeschoss eines Kindergartens speziell für Dachauer Bands ausgelegte Probenräume.
Diese Räume werden nicht verschenkt – die Bands zahlen Miete. Es handelt sich um ein tragfähiges Modell, das Eigenverantwortung und städtische Infrastruktur sinnvoll verbindet.
Die Erfahrung zeigt: Der Bedarf ist da. Und er wird wachsen.
In einer Stadt mit rund 48.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und weiteren rund 100.000 im Landkreis sind zusätzliche Proberäume kein Luxus, sondern eine notwendige Investition in kulturellen Nachwuchs und Vielfalt.
Artists in Residence – vorhandene Räume, neue Perspektiven

Kultur braucht nicht immer neue Gebäude. Manchmal reicht es, vorhandene Räume sinnvoll zu nutzen und für Neues zu öffnen. Genau hier setzt das vom Bündnis initiierte Artists-in-Residence-Programm in der Ruckteschell-Villa an.
Die Räume waren bereits vorhanden – für die Stadt entstanden keine zusätzlichen Kosten. Internationale Künstlerinnen und Künstler konnten über Dachauer Vereine ein Wohnstipendium beantragen und für einen Zeitraum von drei bis zwölf Monaten in Dachau leben und arbeiten.
Während ihres Aufenthalts wirkten die Künstler aktiv in die Stadt hinein. Sie gaben Konzerte und Workshops, arbeiteten mit Dachauer Schulen, beteiligten sich an Ausstellungen und suchten den Austausch mit lokalen Kulturschaffenden. Die Künstler kamen unter anderem aus Kanada, Australien, Afrika und Skandinavien.
So wurde aus einem Wohnort ein kultureller Begegnungsraum. Ohne große Investitionen, ohne bürokratischen Aufwand – aber mit nachhaltiger Wirkung. Das Programm zeigt, wie Offenheit, Raum und Zeit kulturelle Impulse ermöglichen können.
Zukunft – Kultur braucht Träume und Räume
Kultur braucht Räume.
Aber sie braucht auch Zeit.
Und sie braucht Träume.
Die Geschichten dieser Seite zeigen, was möglich wird, wenn Räume geöffnet werden – und was verloren geht, wenn sie fehlen oder zu lange nicht verfügbar sind. Für die Zukunft heißt das: Dachau braucht eine Kulturpolitik, die Räume sichert und Träume zulässt. Die vorausschauend plant, statt nur zu reagieren.
Dazu gehören verlässliche Veranstaltungsorte ebenso wie Probenräume. Dazu gehören Orte für junge Kultur genauso wie für etablierte Vereine. Und dazu gehören Strukturen, die Ehrenamt unterstützen, statt es dauerhaft zu überfordern.
Als Oberbürgermeister will ich Verantwortung dafür übernehmen, dass kulturelles Leben in Dachau nicht vom Zufall abhängt, sondern verlässlich wachsen kann.
Damit Kultur Zeit hat.
Und Raum.
Und Zukunft.
Genau hier zeigt sich, was ich als Oberbürgermeister konkret verändern will.
Haben Sie auch Kulturträume?
Kultur braucht Räume. Und sie braucht Ideen.
Haben Sie einen Wunsch, eine Beobachtung oder einen Traum für das kulturelle Leben in Dachau? Schreiben Sie uns – wir freuen uns über Ihre Gedanken.
